Waffen für den Kampf gegen unverjährbare Verbrechen

Eines Tages könnten der internationale Strafgerichtshof und weitere Behörden Verfahren wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine einleiten. Heute gilt es, Indizien und Zeugenaussagen zu diesen unverjährbaren Verbrechen zu sammeln.

Es ist ein dramatisches Erwachen am 24. Februar 2022: In den frühen Morgenstunden sind russische Truppen in der Ukraine einmarschiert. Während die russischen Bomben fallen, verfolgt die Welt die Gräueltaten wie benommen via die Medien. Schon bald dringen erste Berichte über mögliche Kriegsverbrechen – wie etwa in Butscha – durch.

Was kann das übrige Europa tun? In verschiedenen Ländern werden die Behörden tätig und beginnen dank Europol früh, Aussagen von Opfern und Zeugen von Kriegsverbrechen und weiteren Verletzungen des Völkerrechts zu sammeln. Das Ziel ist klar: Die Schuldigen sollen für ihre Taten büssen. Das Sammeln und Sichern von Aussagen und Beweisen wird es erlauben, im Falle künftiger Strafverfahren oder Rechtshilfeersuchen rasch und gezielt zu reagieren. Europol filtert, analysiert, ordnet und sammelt die Aussagen. Heute Beweise zusammenzutragen und zu sichern, ist ein Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit für die Opfer dieser Gräueltaten und ihre Familien. Und ein Damoklesschwert über den Köpfen der Kriegsverbrecher.

Die Schweiz reagiert rasch. Ab Mitte März beginnen sich fedpol, das Staatssekretariat für Migration (SEM) und die Bundesanwaltschaft zu koordinieren. Wie und in welcher Form sollen solch schmerzhafte, emotionale Erinnerungen gesammelt werden? Es muss gelingen, Fotos, Videos oder auch Tonaufnahmen zu sichern. Sie können wertvolle Beweise sein.

Ein Zeugenportal

Dank der intensiven fachübergreifenden Zusammenarbeit von Ermittlerinnen, Analysten, Übersetzern, IT-Spezialistinnen, Juristen, Staatsanwältinnen und Fachleuten für Asylpolitik wird innert weniger als zehn Tagen ein Webportal aufgebaut. Über dieses können Personen ihre Erfahrungen melden. Anschliessend werden diese direkt kontaktiert. Zum Beispiel Nataliya*. Sie hat sich über das Portal gemeldet, und die spezialisierten Ermittlerinnen und Ermittler der Bundeskriminalpolizei nehmen sehr rasch Kontakt mit ihr auf, um ein Treffen zu vereinbaren. Während des Gesprächs werden mit der gebotenen Vorsicht weitere Abklärungen vorgenommen, die Informationen dokumentiert und im Hinblick auf ein allfälliges künftiges Strafverfahren aufbereitet.

Auch Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen oder sonstigen Hinweisen gehen die Ermittlerinnen und Ermittler von fedpol nach. Und sie gehen selbst auf potenzielle Zeuginnen und Zeugen zu. 2022 wurden so 11 polizeiliche Ermittlungen geführt.

Zeugen oder Opfer von Kriegsverbrechen reisen manchmal durch mehrere Länder, bevor sie Zuflucht finden, und befinden sich in der Schweiz nur auf Durchreise. Im Herbst 2022 nimmt fedpol Kontakt mit Dimitri* auf. Es findet eine erste Anhörung statt. Doch Dimitri reist wenige Tage später nach England zu seiner Familie. Seine Aussage geht nicht verloren: Die Ermittler verweisen ihn an die englischen Behörden. Dort kann er eine vollständige Aussage machen. Das ist die Stärke der Zusammenarbeit und der internationalen Polizeikooperation.

Was tut fepdol im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine?

Dank der im Jahr 2022 durchgeführten Befragungen wurden mehrere Informationen an Europol weitergeleitet. Die Sammlung von Zeugenaussagen ist nicht die einzige Initiative, die fedpol unternommen hat. Es wurde eine Task Force Ukraine mit einem Pool von Experten aus verschiedenen Bereichen eingerichtet, welche die mit der Polizeiarbeit verbundenen Probleme erfassen und antizipieren. So koordiniert fedpol beispielsweise den Austausch von polizeilichen Informationen – mit den zuständigen Behörden – im Zusammenhang mit dem Embargogesetz, dem Waffengesetz und dem Luftfahrtgesetz. Um die Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten.

Regelmässig findet ein Austausch mit anderen Partnern statt: SEM, Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, Nachrichtendienst des Bundes, Führungsstab Polizei der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz. Nur mit einem proaktiven Informationsaustausch können die Herausforderungen einer Krisensituation bestmöglich bewältigt werden.

* Namen geändert