Im Sommer 2022 erhält fedpol aus Deutschland eine Unterstützungsanfrage für eine polizeiliche Ermittlung. Es geht um sogenannte Reichsbürger: Menschen, die in Deutschland leben, den Staat und seine Gesetze jedoch nicht anerkennen. Sie beziehen sich auf das historische Deutsche Reich und leugnen die Existenz der Bundesrepublik.
Bestehen Verbindungen in die Schweiz? Welche Personen in der Schweiz stehen wie stark in Kontakt mit welchen Anhängerinnen der Reichsbürgerszene? fedpol klärt ab. Nach intensivem Austausch mit verschiedenen Gewaltschutzstellen, den Verantwortlichen für das Bedrohungsmanagement und anderen Partnerbehörden beim Bund und den Kantonen erfolgt die Rückmeldung an die Kolleginnen in Deutschland: Die Schweiz unterstützt – möglichen Hinweisen auf Kontakte von einzelnen Staatsverweigerern in der Schweiz zu Personen aus der Reichsbürgerszene in Deutschland wird konsequent nachgegangen.
Staatsverweigernde Szenen bzw. deren Exponentinnen und Exponenten sind seit der Corona-Pandemie lauter geworden; öffentlich wahrnehmbarer. Doch sind sie auch gefährlich? Ist von gewaltsamen Umsturzplänen auszugehen, wie sie der Reichsbürgerszene in Deutschland vorgehalten werden?
Sowohl Reichsbürger in Deutschland als auch Staatsverweigererinnen und Staatsverweigerer in der Schweiz lehnen den modernen Staat und dessen Gesetze ab. Beide Szenen behaupten, dass der Staat illegitim ist und sie durch ihn unterdrückt werden. Sie teilen ähnliche Ideologien und glauben oft an Verschwörungstheorien.
Es gibt jedoch Unterschiede. Zum Beispiel sind die Reichsbürger in Deutschland oft stark nationalistisch eingestellt, für sie gilt noch immer das Deutsche Reich. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitim regiert an. Im Gegensatz dazu lehnen Staatsverweigerer in der Schweiz den Staat aufgrund von politischen oder persönlichen Ansichten ab. In der Schweiz existieren deshalb mehrere Szenen mit unterschiedlichen Beweggründen für ihre Staatsverweigerung, die sich teilweise überschneiden können.
Staatsverweigernde Szenen sind in der Schweiz heterogen; im Gegensatz zur – gemäss heutigem Kenntnisstand – einheitlicher motivierten und hierarchisch strukturierteren Reichsbürger-Szene in Deutschland.
Ob in der Schweiz einzelne Gruppierungen gewachsen sind, ist schwer zu beurteilen: Mehr Lärm heisst nicht unbedingt mehr Substanz. Aufgefallen sind vor allem einzelne Exponenten mit erhöhtem Radikalisierungsrisiko – hier greifen Bedrohungsmanagement und Gewaltschutz der Kantone.
Und doch: Ein Unterschätzen der Ideologien kann weitreichende Folgen haben und ein Risiko für die Sicherheit der Schweiz und ihre politische Stabilität bedeuten. Damit es nicht so weit kommt, stehen die zuständigen Stellen von Bund und Kantonen weiter im engen Austausch. fedpol verfolgt die Entwicklungen in der Szene aufmerksam. Nur wenn die Informationen gut fliessen, können die bestehenden Instrumente wie das Bedrohungsmanagement oder der Gewaltschutz rechtzeitig eingreifen, wenn jemand aus diesem Umfeld gewaltsame Pläne schmiedet.