Eine Szene aus dem Leben des Mafia-Ermittlers Umberto*. Ein Anruf bringt Umberto im Sommer 2022 um einen gemütlichen Sommerabend auf dem Balkon. Doch Umbertos Erfahrungsschatz und Engagement tragen schliesslich dazu bei, dass sich ein Mafioso der Justiz wird stellen müssen.
Ein Freitagabend im Sommer 2022. Die Sonne hat noch Kraft und scheint auf Umbertos Balkon. Frischer Tomaten-Mozzarella-Salat, gutes Brot; die Lieblingsplaylist schallt aus dem Wohnzimmer. Eine durchgetaktete Arbeitswoche neigt sich dem Ende zu; seine Fälle immer wieder unterbrochen von tagesaktuellen Entwicklungen. Umberto ist Teamleiter bei der Bundeskriminalpolizei von fedpol und führt unter anderem Ermittlungen gegen mutmassliche Mafia-Mitglieder.
Umberto schliesst die Augen, geniesst die Sonne und lässt die Last der Woche von sich abfallen, als das Telefon klingelt. Am anderen Ende ein Kollege der italienischen Polizei. Er sei gerade unterwegs in die Ferien, müsse aber kurzfristig noch die Festnahme mehrerer mutmasslicher Mafia-Mitglieder koordinieren. Sie sind vermutlich für einen vor Jahren verübten Mord verantwortlich. Einer der Verdächtigen wohnt in der Schweiz. Die Verdächtigen in Italien und in der Schweiz müssen unbedingt zeitgleich festgenommen werden: Nur so sind im Mafia-Umfeld Absprachen, Vorwarnungen oder das Verschwindenlassen von Beweismitteln zu verhindern. Der Zugriff ist für den kommenden Mittwoch, frühmorgens um 5.30 Uhr vorgesehen. Umberto läuft vom Balkon zurück in die Küche, stellt seinen Salat in den Kühlschrank und schliesst die Balkontür, um fernab fremder Ohren sprechen zu können.
Bevor die Festnahme durchgeführt werden kann, müssen die italienischen Kollegen alle notwendigen Formalitäten in die Wege leiten. Nur wenn alles vollständig, korrekt und nach Schweizer Gesetz durchführbar ist, gelangt der konkrete Auftrag zur Festnahme zwecks Auslieferung des Bundesamtes für Justiz an die zuständigen Behörden. Umberto unterstützt die Italiener dabei und leitet die Operation in der Schweiz in die richtige Bahn. Für Umberto hätte die Sache damit erledigt sein können – doch es kommt anders.
Die internationale Rechtshilfe ist die justizielle grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Strafsachen zur Unterstützung eines Strafverfahrens in der Schweiz oder im Ausland. Die justizielle Zusammenarbeit ist sehr formell. Eine ausländische Justizbehörde stellt den Antrag ans Bundesamt für Justiz. Dieses prüft die formalen Aspekte des Rechtshilfeersuchens (Variante: Auslieferungsersuchens). Der Fokus liegt dabei auf der Rechtmässigkeit des Ersuchens und der Konformität mit der Schweizerischen Gesetzgebung. Ist dies der Fall, wird das Ersuchen an die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde überwiesen. Die Rolle von fedpol beschränkt sich derweil auf die Unterstützung der bei der Umsetzung erforderlichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Polizeibehörden.
Die Bundespolizei ist generell Anlauf- und Koordinationsstelle für die internationale operative Polizeiarbeit. fedpol:
koordiniert interkantonale und internationale Ermittlungsverfahren
stellt den Partnerbehörden rund um die Uhr Kooperationsinstrumente zur Verfügung.
steht in engem Informationsaustausch mit den Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz und im Ausland
bildet bei Bedarf übergreifende Ermittlungsteams.
Aufgrund dieser internationalen und nationalen Vernetzung ist fedpol – auch wenn die Zeit knapp ist – in der Lage, rasch die richtigen Verbindungen herzustellen.
Die Aufgaben von fedpol sind im Bundesgesetz über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes und gemeinsame Zentren für Polizei und Zollzusammenarbeit mit anderen Staaten (ZentG) geregelt.
Noch am Wochenende erkennt Umberto: Die Personendaten des Verdächtigen in der Schweiz stimmen nicht. Wurde der Auftrag deshalb an den falschen Kanton weitergeleitet? Hat Italien einen falschen Hinweis vermittelt? Nun ist Präzision angesagt, und zwar schnell. Schlimmstenfalls fällt die Verhaftung ins Wasser. Umberto koordiniert den Informationsfluss, am Montag ist alles geregelt: Es kann losgehen.
Die Italiener sind bereit: Sie wollen die Festnahmen wie geplant durchziehen. Doch in der Schweiz wird die Zeit knapp; sehr knapp. Einsatzplanung mit Hintergrundabklärungen, Personalplanung der Interventionseinheiten usw.: Der Auftrag kam zu kurzfristig. Umberto kann es nicht fassen. Seine Erfahrung zeigt: Der Verdächtige wird innert Minuten von den Verhaftungen in Italien erfahren, untertauchen und womöglich nie gefasst werden. Das darf nicht sein! Er greift zum Telefon, lässt seine über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen in die Kantone spielen. Umberto bespricht mit seinen Kontakten bei der Kantonspolizei andere Varianten. Ganz sicher ist keine davon, doch mit etwas Glück könnte die Festnahme doch noch gelingen.
Am Mittwochmorgen, kurz nach 5.30 Uhr, irgendwo in der Schweiz. Ein über Jahre unauffälliger Bewohner eines Mehrfamilienhauses tritt durch die Haustür an die kühle Morgenluft. Auf seinem Weg zum Auto begegnen ihm zwei unauffällige Typen; zivile Fahnder der Kantonspolizei, die sich genau diese Situation erhofft haben. Sie sprechen ihn an: «Guten Tag. Polizei. Sie müssen mit uns mitkommen.» Kurz darauf wird der Mann ausgeliefert.
*Name geändert