Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel könnten von einem Grundbuchamt erkannt werden, oder von anderen zivilen Behörden. Natürlich nicht als gesamtes Netzwerk. Aber: Zivile Behörden können im Kampf gegen die organisierte Kriminalität eine entscheidende Rolle spielen. Sie können einen Stein ins Rollen bringen, den die Polizei für Präventionsmassnahmen und Ermittlungsansätze braucht.
Die organisierte Kriminalität ist komplex und hat weitreichende Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft. Die Täter handeln überwiegend im Verborgenen, bringen ihre Gewinne über vordergründig legale Geschäfte in den Wirtschaftskreislauf und wenden diskret Gewalt und Korruption an, verschaffen sich Macht und Einfluss. Organisierte Kriminalität unterwandert die demokratischen Strukturen einer Gesellschaft und verursacht erhebliche wirtschaftliche und soziale Schäden. Dabei hinterlässt sie mal mehr, mal weniger sichtbare Spuren. Spuren, welche von zivilen Behörden oft lange vor der Polizei erkannt werden könnten.
Schlüpfen Grundbuch- oder Betreibungsämter plötzlich in die Rolle der Ermittler? Nein – aber zivile Behörden können ungewöhnliche Vorgänge in ihrer täglichen Arbeit wahrnehmen und dadurch einen Beitrag im Kampf gegen die organisierte Kriminalität leisten. Dazu braucht es aber erstmal ein Bewusstsein: Wie funktioniert organisierte Kriminalität? Wie und wo kann sie erkannt werden? Wo kann sie Schaden anrichten? Sind die Behörden sensibilisiert, können sie bei der Abwicklung ihrer Amtsgeschäfte aufmerksamer sein und womöglich wertvolle Hinweise liefern.
Stellen zivile Behörden auffällige Transaktionen oder Aktivitäten fest, kann fedpol diese gestützt auf das Zentralstellengesetz* (ZentG) prüfen. Eine Sozialhilfeempfängerin kauft Liegenschaften; ein Barbershop-Inhaber, der kaum Kundschaft hat, aber monatlich 10 000 Franken Miete an seinen Cousin zahlt, dem das Geschäftsgebäude gehört – erhärtet sich so ein Verdacht, resultieren daraus Ermittlungsansätze, um Verdächtige zu identifizieren oder Verbindungen aufzudecken. Diese Hinweise können ein erster Schritt zum Zerschlagen oder Auflösen eines kriminellen Netzwerkes sein, dienen aber auch zum Entwickeln griffiger Präventionsmassnahmen gegen Aktivitäten der organisierten Kriminalität.
2022 hat fedpol eine umfassende Bestandsaufnahme der bestehenden Instrumente und möglicher Defizite bei der Bekämpfung
der organisierten Kriminalität durchgeführt.
Dazu hat sie Behörden mit und ohne Strafverfolgungskompetenzen zur organisierten Kriminalität befragt. fedpol ist daran, gemeinsam mit Expertinnen, daraus Empfehlungen zu formulieren, wie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Schweiz verbessert werden kann. Die Empfehlungen betreffen rechtliche Instrumente, aber auch die Praxis der Behörden beim Informationsaustausch, in der Ermittlung und in der Prävention. Ziel für 2023: Gemeinsam mit Partnerorganisationen prüft fedpol diese Empfehlungen auf ihre Umsetzbarkeit und lässt sie in die Bekämpfung der organisierten Kriminalität einfliessen.
Migrationsbehörden, Grundbuchämter, Einwohnerkontrollen, Konkursämter, Handelsregister, Steuerbehörden und noch viele mehr: Sie alle sind auf ihrem eigenen Gebiet die besten Spezialistinnen. Sie verfügen über eine einzigartige Perspektive. Sie wissen am besten, wie ein ungewöhnlicher Vorgang aussieht, warum eine Aktivität auffällt. Genau solche Informationen können entscheidend sein, damit Polizeien der Kantone oder fedpol erste Ermittlungsansätze gewinnen. Hinweise, die schlussendlich ein ganzes kriminelles Netzwerk zu Fall bringen oder Ausgangspunkt für Präventionsmassnahmen sein können. So kann der kleinste Hinweis dazu beitragen, dass organisierte Kriminalität keinen weiteren Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gewinnt; lokal wie auch überregional.
*Bundesgesetz über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes und gemeinsame Zentren für Polizei und Zollzusammenarbeit mit anderen Staaten